Eine Weihnachts-Testing-Geschichte

Oder: Die drei Geister des Testing

 

Ein kalter Wind bläst durch die Wolkenkratzer. Die Straßen sind leergefegt, bis auf die wenigen, vor Kälte zitternden Personen auf ihrem Heimweg. In den meisten Büros wurde das Licht vor Stunden ausgeschaltet.

 

 

“Nun, wenn du deine Meinung noch änderst, bist du natürlich herzlich eingeladen, an unserem Weihnachtsessen teilzunehmen“, sagte Fred zu seinem Onkel in einem der noch beleuchteten Büros.  

Ebenezer Scrooge ignorierte ihn fast und nickte ihm nur beiläufig zu. „Hattest du gestern nicht auch ein großes Release?“, fragte er grimmig. „Ja, warum?“, antwortete Fred verwirrt. „Warum bist du dann nicht bei der Arbeit und kontrollierst ob alles funktioniert?“ "Onkel, ich habe dir doch gesagt, dass wir alle unsere Releases gründlich testen. Es gibt keinen Grund zur Sorge." 

Ebenezer schüttelte den Kopf: „Humbug! Eines Tages wirst du mit deinem kleinen Start-Up hoffentlich auch etwas Geld verdienen und dann wirst du feststellen, dass ein schlechtes Release dich sehr viel Geld kostet! Und jetzt geh! Geh und genieße dein Weihnachtsessen.“ schimpfte er hinter seinem Neffen her. 

Fred nahm seinen Umhang und ging, immer noch mit einem entspannten Lächeln im Gesicht. Ebenezer war schon immer so. Nicht einmal Weihnachten konnte ihn auf andere Gedanken bringen. Auch dann dachte er nur an neue Releases und und konnte den Stress nicht abschütteln.  

Ebenezer Scrooge ist ein allseits bekannter und langjähriger Geschäftsmann. Er war bereits da, als das Internet geboren wurde! Und trotzdem war es ihm wichtig, sich an die modernen Veränderungen anzupassen und mit der Zeit zu gehen. Er und sein Partner Jacob Marley haben ihr Unternehmen damals zu einem erfolgreichen Softwareunternehmen entwickelt. Und auch heute noch ist es Ebenezer wichtig, das fortzuführen, was sie vor vielen Jahren gemeinsam aufgebaut haben. Um das Andenken an seinen verstorbenen Geschäftspartner aufrecht zu erhalten, gibt er täglich sein Bestes und geht seit 7 Jahren täglich mit neuen Releases auf den Markt. 

Kurz nach dem Gespräch mit Fred rannte ein kleiner Junge an seinem Büro vorbei. Ebenezer stand wütend auf: „Das ist hier kein Spielplatz!“  

Der Junge wich zurück: "Ich bin nur hier, weil ich meinen Vater suche." Bob kam - erschrocken von Ebenezers Geschrei - angerannt und entspannte sich sichtlich, als er sah, dass alles in Ornung war und nur sein Sohn gekommen war.  

„Schon gut“, sagte er, „Das ist mein Sohn, Mister Scrooge. Warte dort drüben, ich bin gleich bei dir.“  

„Gehst du schon? Du kannst doch jetzt noch nicht mit all deinen Tests fertig sein, oder?“, höhnte Ebenezer. 

„Ich habe noch Tests für einige Tage vor mir. Heute konnte ich gerade mal das wichtigste Excel-Sheet fertig stellen. Ich möchte einfach nur Heiligabend mit meiner Familie verbringen.“ Ebenezer gab mürrisch nach: "Okay, aber ich erwarte, dass du diese verlorene Zeit wieder nachholst. Morgen kommst du dafür früher.  

Auf dem Heimweg konnte er das fröhliche Treiben um sich herum kaum bemerken. Die Leute genossen ihren Punsch am Weihnachtsmarkt, Kinder waren mit ihren Rodeln unterwegs und lieferten sich Schneeballschlachten. Aber alles, woran er denken konnte, war, welche Probleme mit dem Release am nächsten Tag auftauchen könnten... 

 

Der erste Geist

Gerade als Ebenezer Scrooge einschlafen wollte, schreckte er hoch. 

Er traute seinen Augen nicht.. War das? War es Jacob? Die Gestalt kam näher. "Was willst du? Wer bist du?“, sagte Ebenezer ungläubig. Wollte ihm da jemand einen bösen Streich spielen?  

"Du weißt, wer ich bin." 

„Humbug, du bist tot!“, er nahm seinen Stock und versuchte den Eindringling zurückzuhalten, aber der Stock ging direkt durch die schimmernde Gestalt, als wäre sie gar nicht da.  

„Ich bin hier, um dich zu warnen, Scrooge. Du hast nicht mehr viel Zeit!" Erst jetzt konnte Ebenezer die Erscheinung genauer unter die Lupe nehmen. Jacob’s Geist war fast durchsichtig und in Ketten gewickelt, die ihn nach unten zogen. Aber der Rest war zweifellos sein ehemaliger Geschäftspartner - in seinem üblichen Anzug sogar. 

„Hör auf zu glotzen und hör zu! Diese Ketten habe ich mir selbst angelegt. Und du bist dabei, dir auch täglich deinen Ketten zu schmieden. Drei Geister werden dir heute Nacht erscheinen. Hör auf sie, und du hast noch eine kleine Chance, dass dir dieses Schicksal erspart bleibt.“ 

Und mit diesen Worten verschwand Jacob Marley wieder. Ebenezer rieb sich die Augen und ging langsam zurück ins Bett. Seine Phantasie musste ihm einen Streich gespielt haben. 

Genau in dieser Sekunde, in der er sich wieder auf sein Bett setzte, kam der Geist eines jungen Mannes im Anzug durch die Wand. 

"Ah, da bist du ja. Komm mit mir." Er packte Ebenezer an der Hand und der Schauplatz wechselte sich wie durch Zauberhand.  

Nachdem Ebenezer sich wieder halbwegs gefangen hatte, sah er sich um: „Das ist mein allererstes Büro! Der Ort, an dem wir damals das Unternehmen gegründet haben! Aber wie können wir hier sein? Dieses Gebäude ist vor Jahren abgebrannt.“ 

„Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht. Und ja, das ist Ihr erstes Büro und sehen Sie, da sind Sie.“ 

Ein junger Ebenezer betrat den Raum. Es war spät in der Nacht, aber er war in seine Arbeit versunken und strotzte vor Ehrgeiz. Sein größtes Ziel war es, einmal genau so erfolgreich zu sein wie seine Vorbilder.  

„Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit. Wir haben gerade mit der Arbeit an dieser neuen Software begonnen. Ich wollte das unbedingt machen... etwas großes erreichen... und stolz auf das sein, was ich selbst programmiert habe. Mir war es immer am wichtigsten, dass alles perfekt funktionert.  

Er ging um den Schreibtisch herum, um zu sehen, woran der junge Ebenezer arbeitete. 

„Wir hatten gerade ein großes Release! Warum ist er so ruhig? Warum freut er sich nicht. Das war riesig!" 

„Wie Sie gerade gesagt haben. Sie haben immer dafür gesorgt, dass alles perfekt funktioniert“.  

„...“, Ebenezer wusste nicht, was er sagen sollte. 
„Sollen wir dann weiter zum nächsten Halt?“, fragte der Geist. Und gleichzeitig änderte sich der Schauplatz schon wieder. 

 

„Das ist der Besprechungsraum des neuen Büros, wir sind sehr schnell gewachsen...“, Nostalgie überkam Ebenezer, bevor er von einer lauten Diskussion unterbrochen wurde. 

Kunde: „Sie können nicht erwarten, dass ich das tatsächlich bezahle.“ 

Junge Ebenezer: "Nun ja, wir haben Ihnen die Updates gegeben, die Sie wollten?" 

„Aber mehr als die Hälfte funktioniert nicht richtig. Sogar die alte Funktionalität ist jetzt fehlerhaft. Wir mussten alles abschalten und zum alten System zurückkehren.“ 

„Jede Software hat ein paar Fehler. Geben Sie uns bitte ein wenig Zeit, sie zu beheben.“ 

"Nein. Sie haben Glück, wenn ich Sie nicht wegen des Schadens, den Ihr „Upgrade“ verursacht hat, vor Gericht bringe.“ 

Der Raum wird still, als der Kunde geht. 

„Aber woher hätte ich das wissen sollen?“, fragte Ebenezer den Geist. 

"Woher? Wir werden sehen?." 

 

Die Szenerie hat sich bereits wieder verändert. 

„Das ist... Das ist die Weihnachtsfeier in der ersten Firma, in der ich gearbeitet habe!“ 

„Ja, ist es, aber schau mal.“, erwiderte der Geist. 

Ebenezer sah schweigend zu, als sich das kleine Entwicklerteam über ihre neueste Version unterhielt. Er erinnerte sich an diesen Teil des Teams, der dafür sorgte, dass die Qualitätsstandards eingehalten wurden. Sein ehemaliger Chef sorge dafür, dass alle im Team glücklich waren und sich gleichberechtig fühlten.  

Er dachte unweigerlich an Bob und die Ringe unter seinen Augen. Bob war nicht wirklich Teil des Teams. Seine Aufgabe war es nur, die Dinge zu überprüfen, nachdem sie bereits fertiggestellt waren.  

Ebenezer schüttelte sich aus seinen tiefen Gedanken: "Bring mich nach Hause, ich habe genug gesehen." 

"Wie du möchtest." 

Zurück in seinem Schlafzimmer, verschwand der Geist den Raum auf dem selben Weg, auf dem er gekommen war und überließ Ebenezer seinen Gedanken. 

 

Der zweite Geist

„Ich bin der Geist der diesjährigen Weihnacht“, grüßte der nächste Geist. 

„Müssen wir das machen?“, fragte Ebenezer, doch in diesem Moment waren sie schon wieder woanders. 

"Er kommt nicht, nehme ich an?" „Nein, wie immer.“, antwortete Fred seiner Frau, „Er ist wie jedes Jahr im Stress. Weißt du, ich wünschte, er würde mir einmal zuhören oder es zumindest versuchen.“ 

„Du weißt nichts!“, schrie Ebenezer dazwischen. 

Aber Fred konnte ihn nicht hören. „Seiner Meinung nach weiß ich gar nichts. Aber selbst ein Blinder kann sehen, dass er jedesmal krank vor Sorge ist, wenn er Updates veröffentlicht. Es gäbe so viel, was wir tun könnten, um seine Sorgen zu lindern. Das richtige Tool und das richtige Management und er könnte sich entspannen. Er müsste sich vor neuen Releases keine Sorgen mehr machen.“ 

"Bah, Humbug!" Ebenezer schrie trotzig: „Ich habe einen Tester und der macht seinen Job. Tools kosten nur Geld und finden auch nicht alle Bugs!“ 

„Lass uns sehen, wie dein Tester dann abschneidet, oder?“, schlug der Geist vor. 

Im Nu wurde Fred durch Bob ersetzt und die fröhliche und geräumige Wohnung durch eine kleine, dunklere Wohnung. Seine Frau hatte einen Arm um seine Schulter gelegt und Bob seufzte laut. 

„Hättest du damals nur nicht zugesagt, als er dir angeboten hat, dich um die Qualitätssicherung zu kümmern“, sagte sie. 

„Es ist nicht das... Es ist nur das, was er denkt. Am Anfang war alles in Ordnung. Wir haben Fehler gefunden. Aber jetzt ist es immer wieder dasselbe. Wir haben Excel-Sheets für jede Funktionalität geschrieben und ich muss die Tests dort nur jedes Mal wiederholen. Es ist betäubend. Weißt du, wann meine Arbeit das letzte Mal Ergebnisse gebracht hat? Das ist so lange her, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann. Und nicht nur das. Wenn später ein Fehler gefunden wird, ist es natürlich meine Schuld. Aber ich habe keine Zeit, etwas zu ändern, weil ich diese Excel-Listen machen muss.“ 

„Er sollte froh sein, dass er einen Job hat. Es ist nicht meine Schuld, wenn er ihn nicht richtig macht.“ 

Der Geist der diesjährigen Weihnacht schüttelte nur den Kopf und brachte Ebenezer zurück. 

 

Der dritte Geist

Der dritte Geist, eine Gestalt in einer schwarzen Kapuzenrobe mit einer Sense, wartete schweigend auf Ebenezer. Resignierend nahm dieser seinen Arm und wartete darauf, was jetzt auf ihn zukommen würde.  

„Das ist mein Büro, aber es ist leer“, wunderte sich Ebenezer. 

Fred und Bob standen da und sahen sich die Überreste der Firma an. 

„Ich denke, das musste sowieso früher oder später so kommen“, sagte Bob. 

"Ich frage mich, wie er das Geschäft überhaupt so lange am Laufen gehalten hat." 

"Vielleicht war sein Geiz doch für etwas gut." 

„Er hätte das Geld investieren sollen, um die Qualität seiner Produkte zu verbessern. Dann hätte er vielleicht nicht alle seine Kunden verloren.“ 

Ebenezer ging weiter und sah Tische voller unbezahlter Rechnungen und stornierter Aufträge seiner Kunden. Auf Bobs altem Tisch lagen Papierstapel mit Fehlerberichten. Ein Bildschirm flackerte und zeigte die Software, die Ebenezer vor so vielen Jahren auf den Markt gebracht hatte. Sie zeigte „2 + 2 = 7“. 

Ebenezer ließ sich auf den nächstgelegeben Stuhl fallen und flüsterte: „Wie konnte das passsieren?“ 

Ein Papier auf dem Tisch beschreibt detailliert, wie verschiedene neue Ergänzungen Einfluss auf ältere Teile der Software nehmen würden. Aber diese älteren Teile wurden nie getestet. Weil sie zu dem damaligen Zeitpunkt ordnungsgemäß liefen, wurden hier keine weiteren Tests geplant. 

Ebenezer geriet in Panik, er flehte den Geist der zukünftigen Weihnacht an, ihn zurückzubringen und ihm eine weitere Chance zu geben. Diesmal würde er die Dinge besser machen! Die stumme Gestalt stand einfach nur da und lauschte den Schreien, den Bitten, dem Betteln, bis Ebenezer schließlich vor Erschöpfung bewusstlos wurde. 

 

Epilog

Ebenezer wachte auf und fiel aus seinem Bett. Er kroch zu seinem Nachttisch und sah panisch auf sein Mobiltelefon. 

Es war der 25. Dezember desselben Jahres. Er seufzte erleichtert. 

An diesem Tag besuchte er Fred auf seinem großen Weihnachtsfest, und sie sprachen über all die Dinge, die für Ebenezer noch völlig neu waren. 

Fred erklärte ihm Testautomatisierung, Testmanagement und Fehlermanagement. Er erzählte ihm, wie nützlich Bobs Erfahrung als Entwickler wäre, wenn er ein Tool zur Automatisierung verwenden könnte und wie diese Tools gleichzeitig Metriken liefern würden, um zu sehen, wie viele und welche Tests unerwartetes Verhalten gezeigt haben und wie diese in der Lage wären, Fehler zu finden , zu tracken und zu beheben. Wenn sie das alles umsetzen würden, bäruchten sie niemanden mehr, der zahlreiche Excel-Tabellen erstellt und immer wieder durchgeht. Sie müssten nur noch auf eine Schaltfläche klicken, um ihre implementierten Tests zu wiederholen. Ebenezer war begeistert und euphorisch über all diese neuen Erkenntnisse.  

Im Laufe des nächsten Jahres steigerte Ebenezer nicht nur die Qualität seiner Software, sondern auch die Zufriedenheit seiner Kunden und seines Testingenieurs Bob. 

 

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